Studien und aktuelle Forschung

  Fachinformationen

An der geburtshilflichen Versorgung sind von der Zeit (vor) der Schwangerschaft bis hin zu der Zeit nach der Geburt eine Vielzahl von Fachpersonen beteiligt. Diese unterstützen und fördern junge Familien professionell auf ganz unterschiedlichen Ebenen: von der Kinderwunschsprechstunde über alle peripartalen Angebote bis hin zu den individuellen Angeboten der Frühen Hilfen.

Das Aktionsbüro möchte Eltern und Fachkräften in Niedersachsen einen Überblick über Neuigkeiten aus Wissenschaft & Forschung geben und mit „Best Practice“-Beispielen aus Niedersachsen und anderen Bundesändern versorgen.

Studien und aktuelle Forschung 


Hier stellt das Aktionsbüro relevante Neuigkeiten aus Wissenschaft und Forschung zu verschiedenen Themenbereichen bereit, um Eltern zu informieren und Fachkräfte in der geburtshilflichen Versorgung bei Ihrer Arbeit zu unterstützen.

Sabine Scholz-de Wall  •  26. September 2024

Gesundheit von alleinerziehenden Müttern und Vätern in Deutschland. Ergebnisse der GEDA-Studien 2019-2023 (Peter Rattay, Yasmin Öztürk, Raimund Geene, Stefanie Sperlich, Ronny Kuhnert, Hannelore Neuhauser et al.)

Wissenschaftler:innen verschiedener Forschungsinstitutionen unter Federführung des Robert Koch-Instituts (RKI) haben Daten von 14.401 Müttern und Vätern im Alter von 18 bis 59 Jahren der regelmäßigen Gesundheitsbefragung „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA) aus den Jahren 2019 bis 2023 ausgewertet. Untersucht wurde der Gesundheitszustand von alleinerziehenden Müttern und Vätern im Vergleich zu Eltern, die in Partnerhaushalten leben, unter Berücksichtigung sozialer Unterschiede. Dabei wurden Prävalenzen für die selbst eingeschätzte Gesundheit, chronische Krankheiten, depressive Symptome, Rauchen und den Bedarf bzw. die Inanspruchnahme professioneller Hilfe wegen psychischer Probleme sowohl für Alleinerziehende als auch für Eltern in Partnerschaften berechnet.
Das Fazit der Forschenden lautet: „Für alleinerziehende Mütter und Väter finden sich bei allen Gesundheitsindikatoren höhere Prävalenzen als für in Partnerhaushalten lebende Eltern. Auch nach Adjustierung bleiben die Unterschiede zwischen den Familienformen weitgehend bestehen. Die Gesundheit al-leinerziehender Mütter variiert zudem teils stärker mit Einkommen, Erwerbsstatus und sozialer Unterstützung als dies bei in Partnerhaushalten lebenden Müttern der Fall ist“. Der Volltext des Journal Health Monitoring ist auf der Webseite des Robert Koch Institutes unter „Gesundheitsmonitoring“ verfügbar.

Sabine Scholz-de Wall  •  26. September 2024

Placental senescence pathophysiology is shared between peripartum cardiomyopathy and preeclampsia in mouse and human  (Jason D. Roh, Claire Castro, Andy z. Yu et al.)

Die peripartale Kardiomyopathie, die weltweit eine der häufigsten Ursachen für Müttersterblichkeit darstellt, könnte durch die Freisetzung bestimmter Moleküle aus der Plazenta verursacht werden, welche die Seneszenz des mütterlichen Herzens nach der Geburt fördern. Ein internationales Forscher:innenteam hat diese Hypothese in der Zeitschrift Science Translational Medicine mit experimentellen Studien unterstützt, die auf eine mögliche Behandlung hinweisen.
Ungefähr eine von 1.400 bis 3.500 Frauen entwickeln in der Spätschwangerschaft oder häufiger nach der Geburt eine schwere Herzinsuffizienz, die trotz Behandlung tödlich verlaufen kann. Die Ursachen für diese peripartale Kardiomyopathie sind häufig unbekannt. Die Plazenta wurde bisher als unwahrscheinlicher Verursacher angesehen, da die meisten Frauen erst erkranken, nachdem die Plazenta bereits geboren wurde.
Ein internationales Forscher:innenteam unter Beteiligung von Wissenschaftler:innen aus Hannover, Heidelberg und Marburg entdeckte jedoch eine Verbindung zur Plazenta, die die Versorgung des ungeborenen Kindes mit Sauer- und Nährstoffen sicherstellt und dabei zeitgleich mit Hormonen in den Stoffwechsel der Schwangeren eingreift. Bereits bekannt ist der Zusammenhang zwischen der Entste-hung eine Präeklampsie und der Plazenta. Auch bei diesem Krankheitsbild kann es zu kardialen Störun-gen kommen.
Jason Roh vom Massachusetts General Hospital in Boston und Mitarbeiter:innen sind zufällig auf eine Verbindung zur peripartalen Kardiomyopathie gestoßen. Ursprünglich untersuchten sie den Seneszenz-assoziierten sekretorischen Phänotyp (SASP) bei älteren Erwachsenen, stellten jedoch fest, dass SASP auch bei Schwangeren mit peripartaler Kardiomyopathie in höherer Konzentration im Blut vorhanden ist. Der SASP besteht aus einer Reihe von Zytokinen, Immunmodulatoren, Wachstumsfaktoren und Pro-teasen, die von alternden Zellen freigesetzt werden. Bei jungen Schwangeren tritt dieser Phänotyp je-doch nur in einem Organ auf: der Plazenta, die gegen Ende der Schwangerschaft Alterungsprozesse durchläuft.
Die Forscher:innen konnten SASP tatsächlich in der Plazenta von Frauen nachweisen, die an Präe-klampsie erkrankt waren, was darauf hindeutet, dass eine vorzeitige Alterung der Plazenta an dieser häufigen Störung beteiligt sein könnte. Besonders auffällig war das Protein Activin A, dessen Konzentra-tion im Blut mit dem Schweregrad von Präeklampsie und peripartaler Kardiomyopathie korrelierte. Bei Mäusen kann die peripartale Kardiomyopathie durch die Entfernung eines Gens ausgelöst werden. An diesen Tieren testeten die Forscher:innen zwei mögliche Therapien. Die erste Therapie bestand aus der Behandlung mit dem Senolytikum Fisetin während der Schwangerschaft, was die Bildung von Activin A in der Plazenta unterdrückte und die Herzfunktion der Tiere verbesserte.

Sabine Scholz-de Wall  •  26. September 2024

Lateral episiotomy or no episiotomy in vacuum assisted delivery in nulliparous women (EVA): multicentre, open label, randomised controlled trial  (Sandra Bergendahl, Maria Jonsson, Susanne Hesselmann et al.)

In der kontrollierten, randomisierten, Open Label Multicenterstudie konnte nachgewiesen werden, dass eine laterale Episiotomie (Dammschnitt) bei Erstgebärenden mit Vakuumgeburt die Zahl der Verletzungen des analen Sphinkters (Schließmuskel) halbiert. Die im Britischen Ärzteblatt publizierten Ergebnisse zeigen parallel allerdings einen Anstieg der Wundheilungsstörungen.
Die Leitlinien raten bisher zu einem zurückhaltenden Einsatz der lateralen Episiotomie, da der Damm-schnitt oft als schmerzhaft empfunden wird, insbesondere, wenn wie oben erwähnt, die Heilung durch eine Infektion verkompliziert wird. Eine weitere Gefahr ist das Weiterreißen des Schnittes und eine Ver-letzung des analen Sphinkters. 
Eine häufige Indikation für die laterale Episiotomie ist die Saugglocken¬geburt bei Erstgebärenden, wo-bei Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen werden müssen. Die Evidenz dazu beruht bisher vor allem auf Beobachtungsstudien, deren Ergebnisse häufig verzerrt sind. Aus diesem Grund haben acht schwedische Forscher:innen zu dieser Frage eine randomisierte Studie durchgeführt. Zwischen 2017 und 2023 erklärten sich 6.100 schwangere Frauen, die ihr erstes Kind erwarteten, bereit, im Fall einer kom-plizierten Entbindung mit Saugglocke das Los entscheiden zu lassen, ob der:die Geburtshelfer:in eine laterale Episioto¬mie durchführt oder keine Episiotomie gemacht wird. Final wurden in der EVA-Studie („Episiotomy in Vacuum Assisted Delivery“) 702 Frauen auf zwei Gruppen randomisiert. Primärer End-punkt war eine dritt- oder viertgradige Verletzung des Analsphinkters, die eine chirurgische Korrektur erforderlich macht. Dazu kam es in der Episiotomie-Gruppe bei 21 von 344 Frau¬en (6 %) gegenüber 47 von 358 Frauen (13 %) in der Vergleichsgruppe. Die Differenz von 7,0 Prozent ist mit einem 96-%-Konfidenzintervall von 2,5 bis 11,7 Pro¬zentpunkten signifikant. Auf 14,3 Entbindungen mit Episiotomie wurde eine Verletzung des Analsphinkters verhindert (Number Needed to Treat). Die adjustierte Risk Ratio betrug 0,46 (0,28-0,78) und nach Berücksichtigung der Unterschiede in den einzel¬nen Kliniken 0,47 (0,23-0,97). Die Episiotomie halbierte somit das Risiko auf eine schwere Ver¬letzung des analen Schließ-muskels.
Dem gegenüber stand ein Anstieg von Wundinfektionen und Wunddehiszenzen. Nach der Episiotomie kam es bei 32 Frauen (9 %) zu Wundinfektionen gegenüber 17 Frauen (5 %) in der Vergleichsgruppe. Die Differenz von 4,6 Prozentpunkten bedeutet eine „Number Needed to Harm“ von 21,7.
Wunddehiszenzen traten nach der Episiotomie bei 32 Frauen (9 %) auf gegenüber 12 Frauen (3 %) in der Ver¬gleichsgruppe. Bei einer Differenz von 6,0 Prozentpunkten errechnet Bergendahl eine „Number Needed to Harm“ von 16,9. Andere Komplikationen wie Blutverlust, schwere Schmerzen, Granulome oder Narben, Fisteln oder eine chirurgische Nachbehandlung traten nach der Episiotomie nicht häufiger auf. Die Arbeit ist im Volltext kostenlos verfügbar.

Sabine Scholz-de Wall  •  26. September 2024

Recent decline in sperm motility among donor candidates at a sperm bank in Denmark (Emilie Lassen, Allan Pacey, Anne-Bine Skytte, Robert Montgomerie)

Die Spermienmotilität von jungen Männern hat während der Pandemie abgenommen, wie eine Analyse der weltweit größten Samenbank in der Fachzeitschrift Human Reproduction zeigt. Ein Rückgang der Spermienkonzentration im Ejakulat, den andere Forscher:innen seit längerem beobachten und als be-denklich für die männliche Zeugungsfähigkeit einstufen, konnte jedoch nicht festgestellt werden.
Cryos International aus Aarhus, die weltweit größte Samenbank, setzte ihren Betrieb während der Pan-demie nur kurzfristig aus. In der übrigen Zeit wurde sichergestellt, dass die Spender nicht mit SARS-CoV-2 infiziert waren.
Während der Pandemiezeit konnten Veränderungen im Spermiogramm der Spender festgestellt werden. Von den 6.758 dänischen Männern, die sich von 2017 bis 2022 als Samenspender registrieren ließen, wurden nur 1.839 aufgrund eines positiven Spermiogramms akzeptiert. Eine niedrige Spermienmobilität, gemessen am „total motile sperm count“ (TMSC) war ein Grund für eine Ablehnung als Samenspender. Langsame Spermien sind zwar grundsätzlich befruchtungsfähig, die „Erfolgsrate“ bei der künstlichen Befruchtung ist jedoch vermindert.
Ein Forschungsteam um Robert Montgomerie von der Queen’s University in Kingston, Ontario, analy-sierte die Spermiogramme der Bewerber und stellten fest, dass es einen Rückgang des TMSC von 61,4 Millionen im Jahr 2019 auf 48,1 Millionen im Jahr 2022 (jeweils pro Ejakulat) gab - ein Minus von 22 %. Auch die Konzentration der motilen Spermien pro Ejakulatmenge verringerte sich gegenüber den Vor-jahren um 16 %.
Da die Samenbank während der ersten Krankheitswelle geschlossen war und später nur negativ geteste-te Spender zugelassen wurden, schließen die Forscher:innen eine SARS-CoV-2-Infektion als Ursache aus und nahmen den Bewegungsmangel während der Lockdowns als eine wahrscheinlichere Ursache an. Frühere Studien haben laut Montgomerie bereits gezeigt, dass sitzende Tätigkeiten die Spermienmotili-tät negativ beeinflussen.
Auch in Dänemark durften die Menschen zeitweise ihre Häuser nicht verlassen und die Maßnahmen zur Kontaktvermeidung dürften viele jüngere Männer veranlasst haben, weniger Sport zu treiben. Wenn diese These zutrifft, dann sollte sich die Motilität nach dem Ende der Pandemie wieder erholen. Eine weltweite Krise der Zeugungsfähigkeit ist wohl nicht zu befürchten. Die von Hagai Levine von der Hebrä-ischen Universität von Jerusalem in früheren Metaanalysen prognostizierte weltweite Krise der Zeu-gungsfähigkeit konnte nicht bestätigt werden. Levines Studien hatten behauptet, dass die Spermien-dichte seit 1972 jährlich um 1,16 % und seit 2000 um 2,64 % zurückgeht, was in den Medien Ängste vor einem möglichen Aussterben der Menschheit ausgelöst hatte. Diese Ergebnisse sind jedoch umstritten, und eine Metaanalyse von Sonia Cipriani von der Poliklinik Mailand konnte sie nicht bestätigen. Auch Montgomerie fand in den Spermiogrammen der dänischen Samenspender keinen Hinweis auf einen Rückgang der Spermienkonzentration im Ejakulat. Montgomerie betont, dass die Spermienkonzentrati-on im Ejakulat während der Pandemie nicht signifikant gesunken ist.   

Sabine Scholz-de Wall  •  21. Juni 2024

Placental IGFBP1 levels during early pregnancy and the risk of insulin resistance and gestational diabetes (Marie-France Hivert, Frédérique White, Catherine Allard et al.)

Ein Forscher:innenteam aus den USA und Kanada fand heraus, dass eine zu geringe Produktion des Proteins IGFBP1 in der Plazenta eine wichtige Ursache für den mittlerweile bei jeder siebten Schwangeren auftretenden Gestationsdiabetes sein könnte.
In der Spätschwangerschaft kommt es zu einer physiologischen Insulinresistenz, die über den Anstieg des Blutzuckers im mütterlichen Blut vermutlich die Energieversorgung des Feten sicherstellen soll.
Das Hormon Lactogen, das in der Plazenta gebildet wird, ist hier ein wichtiger Regulator, der die Insulinresistenz fördert. Marie-France Hivert und Mitarbeiter:innen von der Harvard University in Boston haben jetzt bei einer Transkriptionsstudie das ebenfalls von der Plazenta freigesetzte Protein IGFBP1 („insulin-like growth factor binding protein 1“) entdeckt, das offenbar die gegenteilige Wirkung hat.
Die Forscher:innen sequenzierten bei 434 Teilnehmenden der Gen3G-Studie („Genetic of Glucose regulation in Gestation and Growth“) die RNA in den Zellen der Plazenta. Bei allen Teilnehmenden war in der 26. Woche ein Glukosebelastungstest durchgeführt worden. Es gab 14 „Treffer“, von denen IGFBP1 das Interesse der Forscher weckte. Zum einen war IGFBP1 mit einer Verbesserung der Insulin-Sensitivität verbunden (was es zu einem Gegenspieler von Lactogens machen könnte). Zum anderen kodierte es ein Protein, das direkt in den Glukosestoffwechsel eingreifen könnte. Die näheren Untersuchungen ergaben, dass der IGFBP1-Spiegel im Blut im Verlauf der Schwangerschaft an¬steigt und dass dieser Anstieg mit einer verbesserten Insulin-Sensitivität verbunden ist. Frauen, die an einem Gestationsdiabetes erkrankt waren, hatten häufig niedrigere IGFBP1-Spiegel. Eine Blutbestimmung in der Frühschwangerschaft verbesserte die Vorhersage eines Gestationsdiabetes. Ein klinischer Score, der das Alter der Mutter, Erkrankungen in früheren Schwangerschaften, Diabetes in der Familienanamnese und den BMI der Mutter berücksichtigte, erzielte einen Area Under Curve (AUC)-Wert von 0,66. Zusammen mit dem IGFBP1-Wert stieg der AUC-Wert auf 0,72. Dies ist zwar immer noch weit von dem Idealwert 1,0 entfernt, der eine sichere Vorhersage erlauben würde, aber er unterscheidet sich deutlicher von dem AUC-Wert von 0,5, der beim Werfen einer Münze erzielt würde. Der AUC-Wert bezieht sich auf die auf die ROC-Kurve („receiver operating characte¬ristics“), die Sensitivität und Spezifität kombiniert. Die Arbeit ist im April in Nature Medicine (2024; DOI: 10.1038/s41591-024-02936-5) veröffentlicht worden und kostenlos im Volltext erhältlich.

Sabine Scholz-de Wall  •  21. Juni 2024

Versorgungskompass: Geburtshilfe und Hebammenversorgung: Teil 1: Daten rund um die Geburt und Versorgungsangebote durch Hebammen (Dagmar Hertle, Danny Wende)

In Deutschland werden jährlich rund 780.000 Kinder geboren. Zählt man Fehlgeburten und Schwangerschaftsabbrüche hinzu, dann sind etwa 1 Mio. Frauen im Jahr zu versorgen. Es gibt seit Jahren Defizite in der Versorgung von Schwangeren, Gebärenden, Müttern und Kindern. Die Hebammenversorgung spielt dabei eine zentrale Rolle, da Begleitung, Gesundheitsförderung und Empowerment wichtige Aspekte einer guten Versorgung sind. Hebammen sind Expert:innen für Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Eine Eins-zu-eins-Betreuung während der Geburt und eine aufsuchende Wochenbettbetreuung für alle Wöchnerinnen sind Ziele einer guten Versorgung, auf die Frauen gemäß § 24d des Sozialgesetzbuchs V einen Anspruch haben. Bisher gibt es jedoch keine zuverlässigen Daten zur Hebammenversorgung in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Gesundheitsberufen. Um Transparenz zu schaffen, bietet das BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg) im Rahmen seines Versorgungskompasses allgemeine Daten rund um Schwangerschaft und Geburt sowie spezifische Daten zur Hebammenversorgung an. Die interaktiven Grafiken und Landkarten ermöglichen es den Nutzer:innen, eigene Fragestellungen zu beantworten, z. B. zu zeitlichen Verläufen oder regionalen Unterschieden. Das Papier erläutert den methodischen Hintergrund und stellt einige zentrale Ergebnisse zur Versorgungslage dar. Der Versorgungskompass steht allen Interessierten frei zur Verfügung.

Sabine Scholz-de Wall  •  21. Juni 2024

Mütter im Balanceakt (Christina Boll)

Der Anteil der Frauen mit Hochschulabschluss ist seit der Jahrtausendwende von 16 Prozent (1999) auf 27 Prozent (2022) gestiegen. Während im Jahr 1995 nur etwa mehr als die Hälfte der Frauen im Alter von 15 bis 64 Jahren und knapp 60 Prozent der Mütter erwerbstätig waren, gingen im Jahr 2022 mehr als drei Viertel der 18- bis 64-jährigen Mütter einem Job nach. Zudem sind Mütter heute im Durchschnitt gebildeter als vor 30 Jahren. Dennoch ist ein Großteil unter ihnen nicht finanziell eigenständig und das Armutsrisiko im Alter hoch. Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes galt zuletzt jede fünfte Frau ab 65 Jahren als armutsgefährdet.
Die Leiterin der Familienabteilung am Deutschen Jugendinstitut (DJI) PD Dr. Christina Boll analysiert in der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins DJI Impulse, wie es zu dieser Entwicklung kam und was die ökonomische Eigenständigkeit von Müttern hemmt. Sie beschreibt anhand der Ergebnisse wegweisender Forschungsprojekte über Familien und Mütter am DJI, welche Auswirkungen Geschlechterrollenbilder, Leitbilder von Elternschaft, Erwerbsmuster und nicht zuletzt veränderte Familienformen haben und bilanziert: „Ungeachtet der gestiegenen Bildung und Erwerbstätigkeit leisten Mütter noch immer den Löwenanteil der unbezahlten Care- und Hausarbeit“. Denn trotz des über die Jahre gestiegenen Zeitaufwands für Erwerbsarbeit haben Mütter in Paarhaushalten auch die Zeit mit ihren Kindern erhöht. Die Herausforderungen seien damit nach wie vor: „der tägliche Balanceakt zwischen Familie und Beruf, ein mentaler Spagat zwischen den Bedürfnissen der Kinder, der Organisation des Unternehmens Familie, den Anforderungen des Jobs und den eigenen Bedürfnissen“. Sie zu bewältigen, hält Christina Boll für schwieriger als je zuvor, nicht zuletzt, weil auf strukturelle Unterstützung wie die Kindertagesbetreuung nicht immer Verlass ist. Der Artikel ist im Volltext kostenlos zugänglich.

Sabine Scholz-de Wall  •  19. März 2024

Effect of alternatively designed hospital birthing rooms on the rate of vaginal births: Multicentre randomised controlled trial Be-Up  (Getrud M. Ayerle, Elke Mattern, Sabine Striebich et al.)

Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte klinische Studie „Effekte der Geburtsumgebung auf den Geburtsmodus und das Wohlbefinden von Frauen am Geburtstermin: eine randomisiert kontrollierte Studie (RCT) (Be-Up)“ untersuchte von April 2018 bis Mai 2021 in 22 deutschen Krankenhäusern, ob die Umgebung und Ausstattung des Gebärraums den Verlauf einer Geburt beeinflussen. Zudem wurde untersucht, ob sich eine aufrechte Geburtsposition auf das Gefühl der Selbstbestimmtheit von gebärenden Frauen auswirkt. Die Ergebnisse zeigten, dass die alternative Geburtsumgebung die aufrechte Haltung und Bewegung während der Wehen fördert und die Rate vaginaler Geburten erhöhte. 3.719 Teilnehmerinnen konnten für die Studie gewonnen werden. Etwa 89 % der Kinder wurden im alternativ ausgestatteten Gebärraum (Be-Up-Raum) vaginal geboren, im Vergleich zu einer durchschnittlichen Rate von 74 % in herkömmlichen Kreißsälen. Überraschend sank jedoch auch in der Kontrollgruppe, die in herkömmlichen Kreißsälen geboren hatte, die Kaiserschnittrate deutlich, und der Anteil natürlicher Geburten stieg. Zudem konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen den mütterlichen Körperpositionen während der Wehen und dem Empfinden von Selbstbestimmtheit bei den Frauen nachgewiesen werden. Die Forscher:innen betonen jedoch, dass die Ergebnisse darauf hinweisen, dass die Gebärumgebung allein keinen unabhängigen Effekt auf die Rate vaginaler Geburten hat. Vielmehr spielen die Motivation der Frauen und des medizinischen Personals zu einer vaginalen Geburt sowie die Aufklärung eine entscheidende Rolle. Die Studienergebnisse sind im Volltext zugänglich. Weitere Informationen zur Be-Up-Studie finden sich auf der Seite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Sabine Scholz-de Wall  •  19. März 2024

Electronic cigarettes versus nicotine patches for smoking cessation in pregnancy: a randomized controlled trial  (Peter Hajek, Dunja Przulj, Francesca Pesola et al.)

Eine Schwangerschaft ist für Frauen oft ein guter Zeitpunkt, das Rauchen aufzugeben, um ihre eigene Gesundheit zu schützen. Gleichzeitig können sie so auch die Startchancen ihres Kindes verbessern, denn Rauchen in der Schwangerschaft führt zu einem niedrigeren Geburtsgewicht, erhöht das Risiko für eine vorzeitige Plazentalösung sowie für Fehl- oder Frühgeburten und auch für den plötzlichen Kindstod. Da aber auch in der Schwangerschaft die Sucht häufig stärker ist als die guten Vorsätze, wurden in diversen randomisierten Studien Nikotinpflaster zur Unterstützung der Rauchentwöhnung eingesetzt. Obwohl alle Studien zeigten, dass die Nikotinpflaster und auch andere Ersatzprodukte in der Schwangerschaft sicher sind, wurde in Tierversuchen eine embryotoxische bzw. teratogene Wirkung beobachtet, so dass die Präparate in Deutschland in die Schwangerschaftskategorie 6 fallen, aus der sich eine relative Kontraindikation ableiten lässt. Zudem zeigte sich eine unregelmäßige Verwendung der Pflaster durch die Schwangeren, weshalb die Chancen auf den Rauchstopp in den Studien als eher gering beschreiben wurde. In der SNAP-Studie („Smoking, Nicotine, and Pregnancy“) lag die Compliance bei nur 7,2 %. Die ärztliche Verordnung der Pflaster erfolgte aus diesen Gründen oft nur ungern. 
Eine randomisierte Studie des Wolfson Institute of Population Health in London, die 2018/19 an 24 Zentren durchgeführt wurde und 1.140 Schwangere mit der Bereitschaft zur Abstinenz einschloss, zeigte, dass eine unterstützende Behandlung mit E-Zigaretten häufiger zum Erfolg bei der Rauchentwöhnung führte als die Substitution mit Nikotinpflastern. Zudem war die Compliance der E-Zigaretten höher: 47,3 % nutzten die E-Zigaretten im Verlauf der Schwangerschaft, während nur 21,6 % die Nikotinpflaster verwendet hatten. Gegen Ende der Schwangerschaft war die Nutzungsrate aber auf 33,8 % versus 5,6 % abgefallen. Die Effektivität der Nikotinsubstitution war bedauerlicherweise insgesamt gering. In der E-Zigaretten-Gruppe schafften es gerade 6,8 % der Schwangeren, ganz auf das Rauchen zu verzichten. In der Nikotinpflaster-Gruppe waren es sogar nur 3,6 %. Die Studienergebnisse wurden 2022 in Nature Medicine veröffentlicht und sind im Volltext zugänglich. Eine sekundäre Analyse ist 2023 veröffentlicht worden und ebenfalls im Volltext erhältlich.

Sabine Scholz-de Wall  •  19. März 2024

Epidemiologisches Bulletin – Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Publik Health (Robert Koch Institut) 

Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat im Epidemiologischen Bulletin 3/24 ihre geänderte Standard-Empfehlung zur Indikationsstellung für die Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe B (MenB) veröffentlicht. Neben Menschen mit spezifischen Grunderkrankungen, beruflich gefährdeten Personen und Reisenden in Hochendemiegebiete wird die Impfung nun auch für Säuglinge und Kleinkinder unter 5 Jahre empfohlen. Säuglinge sollen im Alter von zwei, vier und zwölf Monaten drei Impfdosen mit dem Impfstoff 4CMenB (Bexsero) nach dem 2+1 Schema erhalten, da das Risiko für eine invasive MenB-Erkrankung nach Angaben der Kommission im ersten Lebensjahr am höchsten ist. Bis zum fünften Geburtstag wird für alle bisher noch nicht geimpften Kinder die Nachholimpfung empfohlen. Zur Vermeidung von Fieber und Schmerzen wird begleitend zur Impfung eine prophylaktische Paracetamol-Gabe empfohlen. 
In den vergangenen fünf Jahren erkrankten in Deutschland im Mittel jährlich 3,5 pro 100.000 Säuglinge und 1,0 pro 100.000 Kleinkinder im Alter von einem bis vier Jahren an einer invasiven MenB. Damit ist die Erkrankung zwar insgesamt sehr selten, verläuft aber häufig sehr schwer und hat eine Letalität von etwa acht Prozent. Zudem leiden Überlebende häufig an Langzeitfolgen wie Hydrocephalus, Hörverlust, Epilepsie, psychischen Störungen, chronischem Nierenversagen, Amputationen und einer insgesamt verminderten Lebensqualität.  

Sabine Scholz-de Wall  •  19. März 2024

Temporal trends in microplastic accumulation in placentas from pregnancies in Hawaiʻi  (Rodrigo Barbano Weingrill, Men-Jean Lee, Paula Benny et al.) 

An der Universität von Hawaii hat ein Forscher:innenteam jeweils 10 Proben von gefrorenem Plazentagewebe aus den Jahren 2006 und 2013 und 10 frische Proben aus dem Jahr 2021 auf Mikroplastik (MP) untersucht. Dabei konnte sowohl bezüglich der Menge (von durchschnittlich 4,1 Plastikpartikel in sechs der untersuchten 10 Proben von jeweils 50 g Plazentagewebe im Jahr 2006 auf durchschnittlich 15,5 Partikel in allen zehn Proben im Jahr 2021) als auch der Größe der Plastikpartikel (von 2,82 µm im Jahr 2006 auf 15,14µm in 2021) ein Anstieg festgestellt werden. Die meisten Partikel waren transparent. Auch die Zusammensetzung der Plastikpartikel veränderte sich im Laufe der Jahre. In den Proben aus dem Jahr 2006 dominierte Polypropylen (22,73 %) vor Polyester (22,73 %), Polyvinylchlorid (18,18 %), Polyurethan (13,64 %) und Polyethylenvinylacetat (9,09 %). Im Jahr 2021 war der Anteil von Polyester (13,41 %) am höchsten vor Polyethylenterephthalat (12,19 %), Polyethylenvinylacetat (12,19 %) und Polypropylen (10,97 %).
Die Ergebnisse zeigen über einen Zeitraum von 15 Jahren einen alarmierenden Anstieg sowohl bzgl. der Anzahl der Plazenten, die MP-Partikel enthalten, als auch bzgl. der Menge der MP pro Keimblatt und der MP-Partikelgröße. Dieser Anstieg geht einher mit der Zunahme der weltweiten Kunststoffproduktion, des Konsums und der Umweltverschmutzung. Da die Bevölkerung von Hawaii aufgrund des hohen Fischkonsums (starke Belastung mit Plastikpolymeren durch belastete Meere), des hohen Anteils von importierten landwirtschaftlichen Produkten in Plastikverpackungen und Müllverbrennung aufgrund von fehlenden Recyclingzentren einer besonders hohen Exposition mit Plastikpolymeren ausgesetzt ist, lassen sich diese Zahlen nicht ohne weiteres auf andere Teile der Weltbevölkerung übertragen. Dennoch ist die Tendenz beunruhigend. Zudem ist die Stichprobengröße sehr klein und lässt bisher keine Rückschlüsse auf mögliche Gesundheitsprobleme zu, die sich aus der Ansammlung von MP während der Schwangerschaft für Mutter und/oder Kind ergeben könnten. Interessant ist in jedem Fall die im Fazit beschriebene Möglichkeit, aus menschlichen Plazenten ein internationales nicht-invasives Echtzeit-Überwachungssystem für die Umweltverschmutzung durch Plastik und die Exposition während der Schwangerschaft zu entwickeln. Die Arbeit ist in Environment International erschienen und ist über Elsevier kostenlos im Volltext erhältlich.

Laura Ebert  •  15. März 2024

Versorgungskompass: Geburtshilfe und Hebammenversorgung -  Daten rund um die Geburt und Versorgungsangebote durch Hebammen (BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg), Dagmar Hertle, Danny Wende)
In Deutschland werden jährlich rund 780.000 Kinder geboren. Zählt man Fehlgeburten und Schwangerschaftsabbrüche hinzu, dann sind etwa 1 Mio. Frauen im Jahr zu versorgen. Es gibt seit Jahren Defizite in der Versorgung von Schwangeren, Gebärenden, Müttern und Kindern. Die Hebammenversorgung spielt dabei eine zentrale Rolle, da Begleitung, Gesundheitsförderung und Empowerment wichtige Aspekte einer guten Versorgung sind. Hebammen sind Expert:innen für Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Eine Eins-zu-eins-Betreuung während der Geburt und eine aufsuchende Wochenbettbetreuung für alle Wöchnerinnen sind Ziele einer guten Versorgung, denen Frauen gemäß § 24d SGB V einen Anspruch haben. Bisher gibt es jedoch keine zuverlässigen Daten zur Hebammenversorgung in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Gesundheitsberufen. Um Transparenz zu schaffen, bietet das BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg) im Rahmen seines Versorgungskompasses allgemeine Daten rund um Schwangerschaft und Geburt sowie spezifische Daten zur Hebammenversorgung an. Die interaktiven Grafiken und Landkarten ermöglichen es den Nutzer:innen, eigene Fragestellungen zu beantworten, z. B. zu zeitlichen Verläufen oder regionalen Unterschieden. Das Papier erläutert den methodischen Hintergrund und stellt einige zentrale Ergebnisse zur Versorgungslage dar. Der Versorgungskompass steht allen Interessierten frei zur Verfügung.

Sabine Scholz de-Wall  •  20. November 2023

Zufüttern zum Stillen bei reifen Neugeborenen in der ersten Lebenswoche und alimentäre Allergieprävention bei nichtgestillten Säuglingen - Stellungnahme der Ernährungskommissionen der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde e. V. (ÖGKJ) und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ) (Ernährungskommission der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde e. V. (ÖGKJ), Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ), Nadja Haiden)
Der Artikel wirft einen kritischen Blick auf Teile der S3-Leitlinie „Allergieprävention“. Der Abschnitt 1.2 der Leitlinie enthält die folgende Empfehlung mit dem Empfehlungsgrad B: „Ein Zufüttern von kuhmilchbasierter Formulanahrung in den ersten Lebenstagen sollte bei Stillwunsch der Mutter vermieden werden“. In einem nicht konsentierten Hintergrundtext wird als Option für die Zufütterung zum Stillen die Gabe einer Aminosäurenformula oder die Gabe einer extensiv hydrolysierten Formula genannt. Die Ernährungskommissionen der Österreichischen und Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde bzw.-medizin erachten diese im Hintergrundtext formulierten Empfehlungen als verwirrend und schwierig in der praktischen Umsetzung, zumal die Datenlage zur präventiven Wirksamkeit von partiell hydrolysierter Säuglingsnahrung unsicher und kontrovers ist. Die Arbeit ist in der Monatszeitschrift für Kinderheilkunde erschienen und kostenlos im Volltext erhältlich. 

Sabine Scholz de-Wall  •  20. November 2023

Factors associated with spontaneous vaginal birth in nulliparous women: A descriptive systematic review (Lauren Kearney, Rachael Nugent, Jane Maher, Rebecca Shipstone, John MD Thompsen, Rachel Boulton, Kendall George, Anna Robins, Fiona Bogossian)
Die Autor:innen verfolgten das Ziel, Kontextfaktoren zu identifizieren, die mit einer spontanen vaginalen Geburt bei Erstgebärenden verbunden sind. Die Verbesserung der Kenntnis dieser Faktoren soll dazu beitragen, die Chancen von Frauen auf eine Spontangeburt zu erhöhen. Einbezogen wurden 90 Studien mit sehr unterschiedlichem Design und sehr unterschiedlichen Raten an vaginalen Geburten (13-99%), worin eine Schwäche der Arbeit vermutet werden kann. 
Als begünstigende veränderbare Faktoren im Zusammenhang mit der Rate an vaginalen Geburten konnten insbesondere Aufklärung und Umgang mit Ängsten vor der Geburt, leichte körperliche Betätigung und eine kontinuierliche Hebammenbetreuung benannt werden. Die hohe Variabilität der Raten an vaginalen Geburten wurde von den Autor:innen mit der hohen Komplexität der Einflussfaktoren begründet und mit der Empfehlung von multifaktoriellen Lösungsansätzen versehen.
Die Arbeit ist erschienen in Women and Birth und über Elsevier kostenlos im Volltext erhältlich.

Sabine Scholz de-Wall  •  20. November 2023

Newborn and Early Infant Outcomes Following Maternal COVID-19 Vaccination During Pregnancy (Sarah C. J. Jorgensen, Samantha S. M. Drover, Deshayne B. Fell, et al.)
Die im Oktober bei Jamapediatrics veröffentlichte Arbeit beschreibt, dass Babys mit Impfstoffexposition in utero mit einem mRNA-Vakzin gegen COVID-19 im Vergleich zu Neugeborenen, die nicht gegenüber dem Vakzin exponiert waren, ein niedrigeres Risiko für Schwere Neonatale Morbidität (SNM* 7,3 % vs. 8,3 %), neonatalen Tod (0,09 % vs. 0,16 %) und Behandlung auf einer Neugeborenenintensivstation (11,4 % vs. 13,1 %) hatten. In die retrospektive Kohortenstudie waren mehr als 140.000 Babys aus der kanadischen Provinz Ontario eingeschlossen. 
Die Datenauswertung zeigte, dass in der Gruppe der Frauen, die sich in der Schwangerschaft gegen COVID-19 impfen ließen, anteilig viele Erstgebärende mit einem Lebensalter über 30 Jahren waren, die in den beiden vorangegangenen Jahren eine Influenzaimpfung in Anspruch genommen hatten und in eher städtischen Gebieten mit höherem Einkommen lebten. Hier stellt sich die Frage, welche dieser Faktoren ebenfalls zum besseren Outcome der Neugeborenen der geimpften Mütter beigetragen haben könnte. Als Limitation der Studie wird explizit benannt, dass die Analyse auf Lebendgeburten beschränkt war, so dass eventuelle Effekte der COVID-19-Impfung auf Fehl- und Todgeburten nicht beobachtet werden konnten. Es wird dabei darauf verwiesen, dass dies bereits in früheren Studien betrachtet wurde und dass sich dabei sogar ein reduziertes Risiko für Totgeburten nach Covid-19-Impfung zeigte. Die Autor:innen erhoffen sich durch die Ergebnisse der im Volltext zugänglichen Arbeit, dass Schwangere sich zukünftig beruhigter gegen Covid-19 impfen lassen, da dargestellt werden konnte, dass die Impfung keine Gefahr für das Ungeborene bzw. Neugeborene darstellt und dass eher ein schützender Effekt vor negativen gesundheitlichen Ereignissen zu erwarten ist.
* SNM umfasst 15 Diagnosen (z. B. Gestationsalter < 32 Wochen, Geburtsgewicht < 1500g, Krampfanfälle oder Lungenentzündung) und 7 Eingriffe (z. B. Reanimation, Bluttransfusion oder Beatmung), die mit einem erhöhten Risiko für eine gestörte neurologische Entwicklung und ein verringertes Überleben bis zum 6. Lebensjahr in Verbindung gebracht werden.

Sabine Scholz de-Wall  •  20. November 2023

"Löwenstark in der Schwangerschaft!" Ressourcenaktivierung und Stressreduktion mit dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM®) – eine unkontrollierte Interventionsstudie (ZRM®) - eine unkontrollierte Interventionsstudie (Tamara Schneider, Julia Weber, Nicola H. Bauer)
Das Züricher Ressourcen Modell (ZRM) ist ein ressourcenaktivierendes Selbstmanagementtraining, welches nach aktuellen Studienergebnissen die Gefühlsregulierung unterstützen und Stress reduzieren kann. Die Studie "„Löwenstark in der Schwangerschaft!“ Ressourcenaktivierung und Stressreduktion mit dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM®) – eine unkontrollierte Interventionsstudie“ hatte zum Ziel, erstmalig die Wirksamkeit des ZRM zu überprüfen. Dabei wurde die These aufgestellt, dass durch eine Aktivierung der persönlichen Ressourcen der Schwangeren das Stresserleben reduziert und das subjektive Wohlbefinden gesteigert werden kann. Die Wirksamkeit wurde mittels einer quasiexperimentelle unkontrollierte 6‑stündigen Online-Interventionsstudie überprüft.
Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die ZRM®-Intervention signifikant dazu beitragen kann, den erlebten Stress bei Schwangeren zu reduzieren und das subjektive Wohlbefinden zu steigern, selbst unter den Belastungen einer globalen Pandemie. Obwohl das ZRM® positive Effekte auf das Schwangerschaftserlebnis hat, kann es die klassische Geburtsvorbereitung nicht vollständig ersetzen. Es kann jedoch als Ergänzung zur herkömmlichen Geburtsvorbereitung in Gruppen oder in der individuellen Schwangerenversorgung, sowohl digital als auch persönlich, verwendet werden.

Sabine Scholz de-Wall  •  11. Oktober 2023

Increased late preterm birth risk and altered uterine blood flow upon exposure to heat stress
(Erhöhtes Risiko einer späten Frühgeburt und veränderter Uterusdurchblutung bei Hitzestress)
Die als Volltext zugängliche Arbeit betrachtet retrospektiv über den Zeitraum von 1999 bis 2021 anhand von n = 42.905 Geburtsdaten von Einlingsschwangerschaften den Zusammenhang von Hitze und Frühgeburtlichkeit im Raum Hamburg. Es wird nachgewiesen, dass sowohl extreme Hitze als auch längere Perioden der Hitzeexposition in Regionen mit gemäßigtem Klima das relative Risiko für eine Frühgeburt signifikant erhöhen. Daraus wird die Empfehlung abgeleitet, diese Erkenntnis in der vorgeburtlichen Routineversorgung zu berücksichtigen. 

Sabine Scholz de-Wall  •  05. Oktober 2023

Marktzulassung für Impfstoff zum Schutz vor Respiratory Syncytial Virus (RSV) für Säuglinge bis zu sechs Monaten vorgesehen
Die European Medicine Agency (EMA) hat in der Europäischen Union (EU) die Erteilung der Marktzulassung für den Impfstoff Abrysvo zum Schutz vor Krankheiten, die durch das RSV verursacht werden, empfohlen. RSV ist ein weit verbreitetes Atemwegsvirus, das insbesondere bei kleinen Kindern schwerwiegende Folgen haben kann und in Europa als eine der Hauptursachen für pädiatrische Krankenhausaufenthalte wegen Bronchiolitis, Lungenentzündung und Atemnot gilt. Der Impfstoff ist für die passive Immunisierung von Säuglingen von der Geburt bis zum Alter von sechs Monaten geeignet. Die Prävention der RSV-Erkrankung wird von der EMA als von großem Interesse für die öffentliche Gesundheit eingestuft.

Finnja Lindemann  •  04. September 2023

Digitale Hebammenbetreuung in der COVID-19-Pandemie in Deutschland – Akzeptanz bei Müttern
Während der Covid-19-Pandemie wurden in Deutschland erstmals digitale Hebammenleistungen ermöglicht, um die ambulante Hebammenversorgung von Schwangeren aufrecht zu halten. Seit Juni 2021 erlaubt das Digitale-Versorgungs-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) eine Verstetigung dieser digitalen Angebote, sodass nun eine dauerhafte Leistungserbringung der Hebammenbetreuung in der Schwangerschaft und im Wochenbett möglich ist. Die Studie „Digitale Hebammenbetreuung im Kontext der Covid-19-Pandemie“ erfasst eine erste Evaluation der neu eingeführten digitalen Angebote nach der Covid-19-Pandemie aus Sicht von Hebammen und Müttern. Von Februar bis März 2021 wurde die Querschnittsstudie bundesweit mit einem Online-Fragebogen durchgeführt. Die Mütter (n=1821) wurden zur Inanspruchnahme, Zufriedenheit und den Potenzialen der digitalen Hebammenbetreuung in Schwangerschaft und Wochenbett anonymisiert befragt.
Rund ein Drittel der Frauen nahmen digitale Hebammenleistungen in der Schwangerschaft und/oder im Wochenbett in Anspruch. 80% berichteten über positive Erfahrungen. Besonders die Versorgung während der Schwangerschaft, wie beispielsweise Beratungen oder Kurse, eignen sich aus Sicht der Befragten sehr gut als digitale Leistungen. Als Vorteile wurden insbesondere die Weg-/Zeitersparnis und während der Pandemie der Infektionsschutz benannt. Bei der Wochenbettbetreuung hingegen wurde von den Müttern die Anwesenheit einer Hebamme bevorzugt.
In der Hebammenversorgung hat die Covid-19-Pandemie einen Fortschritt in der Digitalisierung bewirkt, der von den Familien gut angenommen wurde. Besonders für das verstetigte Digitale-Versorgungs-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) gibt die Studie wichtige Erkenntnisse für die Umsetzung der digitalen Hebammenbetreuung.

Finnja Lindemann  •  04. August 2023

SINA in NRW: Stillen in Zeiten von Covid-19
„Stillen in Zeiten der Pandemie: Wie Beratung und Betreuung Müttern helfen, langanhaltend zu stillen“
Die wichtige Rolle von Beratung und Betreuung für das langanhaltende Stillen von Babys wird durch die Ergebnisse der „Stillen in Nordrhein-Westfalen“-Studie (SINA) unterstrichen. Insbesondere während der Kontaktbeschränkungen und Abstandsregelungen der Corona-Pandemie stellte die Studie die Wirksamkeit dieser Unterstützungsmethoden heraus.
Die SINA-Studie, initiiert vom Forschungsdepartment Kinderernährung der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und gefördert vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, analysierte den Einfluss der Pandemie-Maßnahmen auf das Stillen und leitete wertvolle Empfehlungen ab. Geburtskliniken spielten hierbei eine Schlüsselrolle, indem sie als Bindeglied zwischen prä- und postnataler Betreuung fungierten.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Corona-bedingten Besuchseinschränkungen auf den Geburtsstationen der Kliniken von den Wöchnerinnen positiv aufgenommen wurden. Die Studie betont auch die Notwendigkeit kontinuierlicher Unterstützung durch Fachpersonal, insbesondere in der Lern- und Kennenlernphase des Stillens. Eine nahtlose Weiterleitung an externe Beratungsangebote sollte durch die Geburtskliniken gewährleistet werden, um den Stillerfolg langfristig zu fördern. Die Pandemie führte zudem zur vermehrten Nutzung von Online-Medien für Stillinformationen, eine Methode, die erfolgreich in die vorgeburtliche Betreuung integriert wurde. Die SINA-Studie verdeutlicht somit nicht nur die Bedeutung von Unterstützung, sondern auch die Potenziale digitaler Ressourcen für die Stärkung des Stillens in herausfordernden Zeiten.
Weitere Informationen: Stillstudie SINA

Finnja Lindemann  •  04. August 2023

RESEPCT Studie: Qualität in der Geburtshilfe
Obwohl die Mehrheit der Familien die Geburt ihres Kindes als positiv erlebt, berichten laut internationalen Studien bis zu einem Drittel der Mütter bzw. rund ein Viertel der Partner:innen von negativen oder traumatischen Geburtserfahrungen. Gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit forscht die Medical School Hamburg (MSH)  in Kooperation mit der TU Dresden an der Qualität der Geburtshilfe in Deutschland. Das Projekt soll dazu beitragen, aussagekräftige Erkenntnisse zum subjektiven Geburtserleben in Deutschland zu gewinnen, aus denen sich Anknüpfungspunkte für Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssituation ableiten lassen, die an den Bedürfnisse der (werdenden) Eltern orientiert sind.  Die Längsschnitt-Studie verwendet zu 4 Messzeitpunkten sowohl qualitative als auch quantitative Erhebungsmethoden. Auch der Einfluss des geburtshilflichen Personals wird in einer Teilstudie betrachtet. 
Die gewonnenen Erkenntnisse dieser Studie sollen langfristig dazu verwendet werden, gezielte Maßnahmen und Unterstützungsangebote zur optimalen Betreuung vor, während und nach der Schwangerschaft von Familien in Deutschland zu etablieren. 

Sabine Scholz de-Wall  •  04. August 2023

Studie der Uni Göttingen zur frühkindlichen Entwicklung
An der Universität Göttingen läuft derzeit ein Forschungsprojekt zur frühkindlichen Entwicklung von Motorik, Vokalisation und Interaktionen. Die an der Studie teilnehmenden Babys werden von Geburt an in engen Zeitabständen untersucht. Um den dadurch entstehenden zeitlichen Aufwand für die Eltern zu minimieren, wird ein mobiles Forschungslabor eingesetzt, dass in einen Transporter eingebaut wurde. Die Forscher:innen kommen damit direkt vor die Haustür und erhoffen sich dadurch eine höhere Bereitschaft für die Studienteilnahme. Unter Einsatz von sechs Kameras, Bordcomputer und künstlicher Intelligenz (KI) werden in der Studie Bewegungen, Geräusche und Interaktion des Säuglings erfasst und ausgewertet. Mit Hilfe von Filmaufnahmen wird eine 3D-Rekonstruktion des Babys erzeugt, aus der die KI die Bewegungen der Kinder analysieren und vergleichen kann. So können Entwicklungsstörungen und Auffälligkeiten wie z.B. Autismus frühzeitig erkannt und eine Behandlung zeitnah eingeleitet werden.
Das Forscher:innen-Team ist bereit, für die wissenschaftlichen Erkenntnisse weite Wege auf sich zu nehmen und hofft, durch das niedrigschwellige Angebot möglichst viele Kinder in die Studie einschließen zu können. Unterstützt wird das Projekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Volkswagenstiftung, der Leibniz-Gemeinschaft und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. Ein kurzer Film, der vom NDR für die Sendung Hallo Niedersachsen gedreht wurde, gibt Einblick in den Untersuchungsablauf. Weitere Informationen über die Teilnahme an der Studie sind auf der Homepage der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen zu finden.

Sabine Scholz de-Wall  •  04. August 2023

Midwifery students witnessing violence during labour and birth and their attitudes towards supporting normal labour: A cross-sectional survey 
Die Forschung hat dem Thema Gewalt während Schwangerschaft und Geburt ist in den letzten Jahren zunehmend mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Schöne untersuchte im Rahmen ihrer Masterarbeit mit einer bundesweiten Querschnittsbefragung anhand einer endgültigen Stichprobengröße von 404 Hebammenschülerinnen/-studierenden, inwiefern diese während der Geburt Gewalt durch Angehörige der Gesundheitsberufe beobachtet haben und welche Auswirkungen dies auf sie hatte. Die Studie konnte zeigen, dass werdende Hebammen während der klinischen Ausbildung häufig Gewalt beobachten und dass sie unter dieser Erfahrung leiden. Eine sehr häufig vorkommende Gewaltform war dabei verbale Gewalt in Form von Abwertung aufgrund von Übergewicht. Aber auch die Beobachtung von körperlicher Gewalt z.B. in Form des Kristeller-Handgriffs oder anderer Interventionen wie Episiotomie oder Sectio ohne vorherige Zustimmung der Frau wurde häufig beschrieben. Die Ergebnisse der Studie sind im April 2023 in der Zeitschrift Midwifery veröffentlicht worden und dort als Volltext frei zugänglich.

Sabine Scholz de-Wall  •  04. August 2023

Anhaltend spannend – das zu kurze Zungenband, Teil 1-3. Übersicht über Entwicklungen zu Diagnostik, Behandlung und Nachsorge
Im Mai 2023 erschien in der Zeitschrift Pädiatrie & Pädologie der dritte Teil einer Abhandlung zum zu kurzen Zungenband von Guóth-Gumberger und Karall. Der erste Teil wurde im Dezember 2022 veröffentlicht und befasste sich mit der Beurteilung des zu kurzen Zungenbands anhand eines multifaktoriellen Beurteilungskonzepts. Weiterhin werden die Vor- und Nachsorge und die Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit thematisiert. Im zweiten Teil vom März 2023 ging es um die Behandlungsmethoden des zu kurzen Zungenbandes. Der dritte Teil beschäftigt sich mit den Problemfeldern bzgl. der Behandlungsmethoden bei zu kurzem Zungen- bzw. Lippenband und der Nachbehandlung des zu kurzen Zungenbandes. Alle Teile enthalten zahlreichen Fotos (und Videos) und sind als Volltext frei zugänglich.

Sabine Scholz de-Wall  •  04. August 2023

ABM Clinical Protocol #37: Physiological Infant Care—Managing Nighttime Breastfeeding in Young Infants 
Die Academy of Breastfeeding Medicine (ABM) entwickelt klinische Protokolle zur Behandlung von Problemen, die den Stillerfolg beeinträchtigen können. Diese Protokolle sollen als Richtlinien für die Betreuung von stillenden Müttern und Säuglingen dienen und verstehen sich nicht als exklusive Behandlungsempfehlungen oder Standards für die medizinische Versorgung. Im Protokoll #37 wird das nächtliche Stillen thematisiert, denn die Sorge um die ausreichende Ernährung und den Schlaf des Kindes – und damit auch den der ganzen Familie - spielt auch bei erfahrenen Eltern eine zentrale Rolle. Nach grundlegenden Informationen zu den normalen Mustern der Säuglingsernährung und des Säuglingsschlafes zeigt das Protokoll die typische Erwartungshaltung (in westlichen Ländern mit hohem Einkommen) dazu auf und verdeutlicht, dass diese oft unrealistisch und nicht am physiologischen Verhalten eines Babys orientiert ist. Das Protokoll räumt unter anderem wissenschaftlich fundiert mit Vorurteilen zum Bed-Sharing auf und zeigt die Wirkungslosigkeit und auch die negativen Auswirkungen von Schlaftrainings-Techniken, Austausch von Stillmahlzeiten durch künstliche Säuglingsnahrung bzw. durch frühe Einführung von Beikost, nächtlicher Beleuchtung, Kleinkinder-Tracking-Apps und anderen digitalen Technologien. In 14 Empfehlungen werden evidenzbasierte Strategien formuliert, die Eltern und Babys helfen können, das nächtliche Stillen und Schlafen sicher und mit einem Höchstmaß an Wohlbefinden zu gestalten. Der Artikel ist im März 2023 in der Zeitschrift Breastfeeding Medicine veröffentlicht worden und dort als Volltext frei zugänglich.

Sabine Scholz de-Wall  •  06. April 2023

Adverse Maternal and Delivery Outcomes in Children and Very Young (Age ≤13 Years) US Adolescents Compared With Older Adolescents and Adults
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte macht auf eine im November 2022 erschienene Arbeit von Beth L. Pineles et al. aufmerksam. Hier wurden in den USA von Januar 2019 bis Mai 2021 retrospektiv die Verläufe von 90.000 Schwangerschaften und Geburten bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 10 bis 19 Jahren mit Blick auf die mütterliche Morbidität und das Geburtserlebnis untersucht. Dabei erfolgte eine Unterteilung in drei Altersgruppen: Betrachtet wurden etwa 68.000 Schwangerschaften bei Teenagern im Alter von 18 bis 19 Jahren, fast 23.000 Schwangerschaften bei Mädchen im Alter von 14 bis 17 Jahren und 206 Schwangerschaften bei Mädchen im Alter von 10 bis 13 Jahren (Anm.: aufgrund dieser sehr kleinen Stichprobe ist in Bezug auf die Repräsentativität der Ergebnisse in dieser Gruppe eine gewisse Vorsicht geboten).
Die Studie belegte, dass es in der Gruppe der jungen Schwangeren einen erhöhten Anteil von Frühgeburten und Kaiserschnitten gibt, der sich in der Gruppe der sehr jungen Schwangeren am deutlichsten zeigte. Auch das gehäufte Auftreten von Bluthochdruck und psychischen Problemen, einschließlich postpartaler Depression und posttraumatischer Belastungsstörung wurde beschrieben. 
Da Geburtskomplikationen lebenslange Folgen für Mutter und Kind haben können, betonen die Autor*innen der Studie einerseits die Bedeutung der Schwangerschaftsverhütung und andrerseits die besondere Notwendigkeit einer angemessenen Versorgung im Falle einer Schwangerschaft mit Zugang zu allen Optionen, einschließlich Schwangerschaftsabbruch, wenn die Schwangerschaft nicht erwünscht ist.

Sabine Scholz de-Wall  •  06. April 2023

Detection of Messenger RNA COVID-19 Vaccines in Human Breast Milk 
Im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie kann die Impfung als ein Eckpfeiler bezeichnet werden. Da in den ersten klinischen Studien mit Boten-RNA (mRNA)-Impfstoffen unter anderem die Gruppe der Kleinkinder und stillende Personen ausgeschlossen war, entschied die US-amerikanische Food and Drug Administration, dass die Zulassung von COVID-19-mRNA-Impfstoffen für Säuglinge unter sechs Monaten zunächst verschoben werden soll, bis mehr Daten verfügbar sind. Die Zentren empfahlen trotz der fehlenden Datenlage die COVID-19-mRNA-Impfung für stillenden Personen, da eine mögliche Passage von Impfstoff-mRNAs in der Muttermilch bisher nicht nachgewiesen wurde. 
Hanna, Doon und Lin et al. untersuchten in der vorliegenden Arbeit die abgepumpte Muttermilch von 11 geimpften, stillenden Personen, um zu prüfen, ob darin der COVID-19-mRNA-Impfstoff innerhalb von sechs Monaten nach der Entbindung nachgewiesen werden kann. Dies gelang in sieben Proben von fünf verschiedenen Teilnehmenden innerhalb der ersten 45 Stunden nach der Impfung. Später war kein Nachweis mehr möglich, weshalb der COVID-19-mRNA-Impfstoff trotz der kleinen Stichprobengröße auch in der Stillzeit – insbesondere, wenn 48 Stunden vergangen sind - als sicher eingestuft wurde. 

Sabine Scholz de-Wall  •  06. April 2023

Neue Empfehlung der World Health Organization (WHO): Frühgeborene und reifgeborene Kinder mit geringem Geburtsgewicht profitieren von der sofortigen Känguru-Methode nach Geburt
Die WHO hat dieses Jahr ein Empfehlungspapier publiziert, aus dem hervorgeht, dass der schnellstmögliche Hautkontakt zwischen Frühgeborenen bzw. reifgeborenen Kindern mit einem geringen Geburtsgewicht und einer Bezugsperson positive Effekte auf die Gesundheit hat. Die WHO bezieht sich hier auf Neugeborene, die vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden oder ein Geburtsgewicht von unter 2,5kg aufweisen. In vielen Kliniken ist es aktuell so, dass die Frühgeborenen direkt nach der Geburt in den Brutkasten gelegt werden, um die Regulierung der Körpertemperatur zu unterstützen und das Kind mit Atemhilfen zu versorgen. Der erste Hautkontakt – noch vor der Verlegung in den Brutkasten - wird nun von der WHO neben der emotionalen Relevanz auch für die Überlebenschancen als gewinnbringend angesehen. Dies gilt auch für die Babys, die Probleme mit der Atmung haben. Die WHO empfiehlt, neonatologische Intensivstationen so anzupassen, dass die Eltern rund um die Uhr bei ihren Kindern bleiben und so viel Hautkontakt wie möglich haben können. Damit kann das Risiko von Infektionen minimiert und die Gewichtszunahme verbessert werden. Die Durchführung der sogenannten Känguru-Methode, bei der das Neugeborene mehrere Stunden am Tag auf dem nackten Oberkörper eines Elternteils liegt und die Gabe von Muttermilch können das Sterberisiko laut der WHO um 40% reduzieren.

Sabine Scholz de-Wall  •  06. April 2023

Erfahrungen mit dem Mutterschutz am Arbeitsplatz - Befragung zu den Arbeitsbedingungen schwangerer und stillender Arbeitnehmerinnen
Im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) haben Svenja Pfahl und Eugen Unrauh vom Institut für sozialwissenschaftlichen Transfer (SowiTra) eine Online-Befragung unter 1.193 abhängig beschäftigten schwangeren und stillenden Frauen zur Umsetzung des im Jahr 2018 novellierten Mutterschutzgesetzes (MuSchG) durchgeführt. Die Studie offenbart erhebliche Mängel bei der Umsetzung der Bestimmungen zum Gesundheits- und Arbeitsschutz von Schwangeren und Stillenden in vielen Betrieben und Dienststellen. Schwangere und stillende Frauen können ihre gesetzlichen Rechte oft nicht automatisch und selbstverständlich in Anspruch nehmen, ohne im Betrieb auf Überraschung, Ignoranz oder betriebliche Gegenerwartungen zu stoßen. Angefangen bei der Gefährdungsbeurteilung, die bei mehr als jeder dritten Schwangeren gar nicht stattfand, über fehlende oder unzureichende Arbeitsschutzmaßnahmen bis hin zum Fehlen von geeigneten Umgebungsbedingungen wie Ruhezonen oder geschützten Räumen zum Stillen bzw. Abpumpen zeigte sich, dass der Gesundheitsschutz trotz bestehender gesetzlicher Schutzbestimmungen für diese höchst vulnerable Personengruppe in Deutschland häufig nicht sichergestellt wird. Die Verletzungen der gesetzlichen Bestimmungen stellten dabei unabhängig von der Betriebsgröße eher die Regel als die Ausnahme dar. Das Fazit der Forscher*innen lautet daher, dass eine bessere Aufklärung sowohl der Schwangeren und Stillenden als auch der Arbeitgeber*innen erforderlich ist. Darüber hinaus müssen die Arbeitgeber*innen als Normadressat*innen des Mutterschutzgesetzes stärker in die Pflicht genommen und kontrolliert werden, um dem verbreiteten Missbrauch von Ausnahmeregelungen und Verletzungen der Schutzbestimmungen entgegenzuwirken.

Sabine Scholz de-Wall  •  06. April 2023

After last time, would you trust them? – Rebuilding trust in midwives after a traumatic birth
In einer qualitativen Arbeit untersuchten Greenfield, Jomeen und Glover, unter welchen Voraussetzungen schwangere Frauen nach einer vorangegangenen traumatischen Geburt wieder Vertrauen zu ihren Hebammen und Geburtshelfern aufbauen konnten. Es wurden neun britische Schwangere, die über das Internet und soziale Medien rekrutiert wurden, beginnend in der Frühschwangerschaft bis zur Perinatalperiode mit halbstrukturierten Interviews dreimal befragt. Eine zentrale Betrachtung der Grounded-Theory-Methodenstudie war der Zeitpunkt des Kontrollverlustes. Im Rahmen der Studie bewerteten die Teilnehmenden ihre früheren Geburtserfahrungen erneut und konzipierten Pläne für die aktuelle Schwangerschaft und die bevorstehende Geburt. Diese Pläne und eine darin enthaltene „Nein-Liste“ waren für die Frauen hilfreich für das Wiedererlangen der Kontrolle und das Einschätzen der Vertrauenswürdigkeit des medizinischen Personals. Im Fazit der Studie wird diese vertrauensvolle Beziehung als Grundvoraussetzung für eine angemessene und effiziente Gesundheitsversorgung beschrieben. 

Sabine Scholz de-Wall  •  06. April 2023

Queer und schwanger
Das Policy Paper macht auf die Diskriminierungserfahrungen und Verbesserungsbedarfe in der geburtshilflichen Versorgung aufmerksam. Basis des Papers bildet die Online-Befragung von Ska Salden und dem Netzwerk Queere Schwangerschaften. Dazu wurden 554 queere und 873 nicht-queere Personen zu unterschiedlichen Themen rund um Kinderwunschbehandlung, Schwangerschaft und Geburt befragt. Aus der Studie geht hervor, dass queere Personen in der Gesundheitsversorgung häufig negative Erfahrungen machen, wenig spezifische Informationen in Bezug auf Schwangerschaft und Kinderwunsch erhalten und nicht zuletzt rechtlich diskriminiert werden.
Die Autor*innen sprechen Empfehlungen für eine angemessene Gesundheitsversorgung, die auch queere Personen in den Blick nimmt, aus. Als zentrale Forderungen werden eine Verbesserung der Versorgungsqualität in der klinischen Geburtshilfe, Weiterbildungen für medizinisches Personal, die inklusive Gestaltung von Informations- und Aufklärungsmaterials sowie die Reformation des Abstammungsrechts benannt. 

Sabine Scholz de-Wall  •  06. April 2023

Das Präventionsprojekt „GeMuKi" zeigt: Motivierende Gesundheitsberatung wirkt
Das Präventionsprojekt "GeMuKi – Gemeinsam gesund: Vorsorge plus für Mutter und Kind“ wurde vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) von 2017 bis 2022 als kontrollierte Interventionsstudie in zehn Regionen Baden-Württembergs durchgeführt. Knapp 1.500 schwangere Frauen bzw. Eltern wurden mithilfe der Elemente der „Motivierenden Gesprächsführung“ durch Frauenärzt*innen, Hebammen und Kinderärzt*innen umfassend zu den Themen Ernährung, Bewegung, Stillen und Genussmittelkonsum beraten. Ergänzend wurden die Frauen durch eine speziell konzipierte App an ihre individuellen Gesundheitsziele erinnert. 
Erste Ergebnisse zeigen, dass in der Schwangerenvorsorge eine motivierende Gesprächsführung mit den behandelnden Frauen*ärztinnen und Hebammen zu den Themen Ernährung, Stillen, Bewegung und Genussmittelkonsum im Rahmen der Schwangerenvorsorge die Gesundheit von Mutter und Kind nachhaltig positiv beeinflussen können. Wichtig dabei ist, dass die Zusammenarbeit von Ärzt*innen und Hebammen gestärkt wird.

Sabine Scholz de-Wall  •  06. April 2023

FAQs zur Covid-19-Impfung bei Schwangeren
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat ein Papier zu den wichtigsten Fragen und Antworten zur Covid-19-Impfung in der Schwangerschaft herausgegeben. Das 5-seitige Dokument kann als PDF-Datei heruntergeladen werden.

Sabine Scholz de-Wall  •  01. September 2022

Policy Statement der American Academy of Pediatrics zum Stillen aktualisiert
Im Juli 2022 hat die American Academy of Pediatrics (AAP) eine aktualisierte Version des Policy Statements zum Thema Stillen veröffentlicht. Belegt durch zahlreiche Evidenzen werden die vielfältigen positiven Eigenschaften von Muttermilch und Stillen dargestellt. Orientiert an der international gültigen WHO-Empfehlung wird z.B. das ausschließliche Stillen für ungefähr 6 Monate und ein anschließendes Weiterstillen unter Beikosteinführung bis ins Alter von 2 Jahren oder darüber hinaus empfohlen.

Die AAP ruft dazu auf, in allen Geburtskliniken die von der Baby Friendly Hospital Initiative (BFHI) propagierten Maßnahmen (z.B. ununterbrochener Hautkontakt nach Geburt, Rooming-In, Stillen nach Bedarf, Vermeidung von Schnullern und Informationen zu Stillunterstützung Zuhause) umzusetzen. Weitere Themen sind Kolostrumgewinnung, Umgang mit möglichen ersten Stillschwierigkeiten, Stillen von Babys mit sehr geringem Geburtsgewicht (VLBW) und Late preterm Kindern, sowie Maßnahmen zur Vermeidung von Hyperbilirubinämie. Auch das Stillen in Adoptivfamilien und bei gender-diversen Eltern wird angesprochen.

Die AAP appelliert an die Kinderärzte, ihre Rolle für die Stillförderung aktiv wahrzunehmen, junge Familien fundiert zum Stillen aufzuklären und stillende Mütter zu unterstützen, Stillprobleme zu überwinden und in ihrem Umfeld stillfördernde Maßnahmen etablieren. Die amerikanische Fachgesellschaft der Kinderärzte gilt international als bedeutende Stimme, deren Statements Gewicht haben.

Sabine Scholz de-Wall  •  01. Juni 2022

Neue Erkenntnisse zum Sudden Infant Death Syndrome (SIDS)
Ein australisches Forscher*innenteam um die Biochemikerin Carmel Therese Halmilton hat in The Lancet Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die deutliche Hinweise darauf liefert, dass ein Enzymmangel als Risikofaktor für den plötzlichen Kindstod angenommen werden kann. Untersucht wurden 67 plötzliche unerwartete kindliche Todesfälle (im Alter von 1 Woche bis 104 Wochen) und mit einer Kontrollgruppe (n=655) verglichen. In der Gruppe der durch SIDS verstorbenen Kinder fanden die Forscher*innen eine signifikant verminderte spezifische Aktivität des Enzyms Butyrylcholinesterase (BChE), wodurch eine Dysfunktion des Parasympatikus verursacht wird. Die Forscher*innen möchten durch weiterführende Untersuchungen herausfinden, ob es möglich ist, die spezifische Aktivität von BChE als Biomarker zur Identifizierung und Verhinderung zukünftiger SIDS-Todesfälle zu verwenden
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